04 Apr Gedanken am 4.4.2020 – Chancen für die Kirche
Gestern habe ich über die Hoffnung geschrieben, dass manches positives von dieser ungewöhnlichen Zeit nach der Krise mit in die „normale“ Zeit genommen werden könnte.
Auch für Kirche gibt es neue Chancen in dieser schwierigen Zeit. Wenn wir gezwungen werden, den normalen Betrieb runterzuschrauben, kann es eine „Wüstenzeit“, eine Zeit des Nachdenkens und der Besinnung sein. Losgelöst vom alltäglichen Betrieb, sind wir vielleicht besser in der Lage, verstärkt auf das spirituelle Wesen und Zentrum unserer Aktivität zu schauen, unvoreingenommen die verschiedenen Aktivitäten in diesem Blick zu betrachten, und auch vielleicht neue Möglichkeiten erkennen, in der Welt von heute die frohe Botschaft lebendig werden zu lassen.
Wenn Sakramente wie Taufen und Eheschließungen nicht im Rahmen öffentlicher Gottesdienste gefeiert werden können, könnte das ein Anlass sein, die gewachsenen Praxis und Strukturen nicht mehr als selbstverständliche Gegebenheiten anzusehen, sondern im Blick auf das Evangelium neu zu überprüfen, wie und wo dienen diese Praxen dem eigentlichen Sinne der Kirche und des Evangeliums? Überlagern manchmal Brauchtümer und Bürokratien das Wesen der Sache? Dass nach kirchlichem Recht eine Ehe vor einem zuständigen Priester oder Diakon geschlossen werden muss, damit sie gültig sei, macht z.B. leicht den Eindruck, es handelt sich eigentlich um den Segen der Kirche. Dabei ist nach katholische Lehre und Theologie das Wesentliche vielmehr der Entschluss des Ehepaars, als Gottes geliebten Kindern und mit dem Herzen Jesu vereint, die Liebe zueinander als Repräsentanten Gottes Liebe in dieser Welt zu leben. Kirchenrecht sieht die Möglichkeit vor, wenn ein Monat lang es unmöglich ist, bei einem Priester die Ehe zu schließen, dass ein Ehepaar eine gültige Ehe nur vor Zeugen das Ja-Wort geben kann. Wie viele jetzt, wenn keine öffentliche Gottesdienste gefeiert werden, verstärkt zuhause beten, werden womöglich manche Paare von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Das könnte dann auch für die Zukunft einen Anstoß geben, die priesterliche und prophetische Rolle eines jeden Getauften zu stärken.
Thomas Halik schreibt in einem etwas ähnlichen Sinne in einem Gastbeitrag für die „Zeit“-Beilage „Christ & Welt“ (Bericht in Kathpress), Kirchen ohne öffentliche Gottesdienste und in vielen Ländern sogar gänzlich geschlossen kann man als Aufruf sehen, über die echte Reform der Kirche, die eine innerliche und geistliche Reform sein müsste, eine Umkehr zum Kern des Evangeliums.
So auch für die Kirche aus dem Leiden des Karfreitags und der Stille und Leere des Karsamstags, kann neue Lebensimpulse entstehen.
Günter-Josef LENTNER
Posted at 14:00h, 04 AprilLieber Joseph! Danke für deine heutigen Überlegungen! Ja, wir als Kirche müssen uns verstärkt mit der gegenwärtigen Lebensrealität auseinandersetzen! Gerne zitiere ich in diesem Zusammenhang den bekannten Tübinger Pastoraltheologen Johann Baptist von Hirscher(1788-1865), der schon vor 200 Jahren schrieb: „WIR MÜSSEN IN UNSERER ZEIT STEHEN, UM AUF UNSERE ZEIT ZU WIRKEN!“ Dem ist wohl nichts hinzuzufügen!